Kann denn eine Beleidigung zu einer Hausdurchsuchung führen? Diese Frage stellten wir uns, nachdem ein kritischer Tweet zu einem Strafantrag und rund drei Monate später zu einer Hausdurchsuchung führte.
Den Strafantrag hatte der Hamburger Innensenator Andy Grote gestellt, nachdem er sich durch die Aussage „Du bist 1 Pimmel“ in seiner Ehre herabgesetzt fühlte. Da mit den Tweet sein widersprüchliches Verhalten während der Corona-Pandemie angeprangert wurde, kam schnell der Verdacht auf, dass die Hausdurchsuchung politisch motiviert sein könnte.
Diesen Vorfall nahmen wir daher zum Anlass, um nicht nur über die Unabhängigkeit sowie Motivation von Staatsanwaltschaften, sondern generell über die Gründe für Hausdurchsuchungen, deren Bewilligung durch ErmittlungsrichterInnen, Vor-Ort-Maßnahmen der beteiligten Polizistinnen sowie Möglichkeiten sich gegen sie zu verteidigen, zu diskutieren.
Als Expertin zum Thema haben wir die Hamburger Strafverteidigerin Alexandra Braun eingeladen, die uns durch die „Hausdurchsuchung“ führt und Tipps zum richtigen Verhalten gibt. Hierfür bedanken wir uns herzlichst und hoffen trotzdem, dass unsere HörerInnen diese Tipps am besten erst gar nicht benötigen werden. Falls doch, gern geschehen! 😉
Viel Vergnügen beim Zuhören!
Kapitel
- 00:02:30 – Vorstellung unserer Gästin, der Strafverteidigerin und Fachanwältin für Strafrecht, Alexandra Braun.
- 00:05:00 – Was passiert, wenn die Polizei an der Tür klingelt und wie sollte man sich verhalten?
- 00:11:00 – Gibt es eine Anwesenheitspflicht bei der Hausdurchsuchung und sollten Zeugen und ein Rechtsbeistand hinzugezogen werden?
- 00:14:00 – Sind Video- und Tonaufnahmen erlaubt?
- 00:17:00 – Welche Wohnungsbereiche dürfen durchsucht und welche Sachen dürfen beschlagnahmt werden?
- 00:22:00 – Hausdurchsuchung im Homeoffice von Geheimnisträgern und freiwillige Herausgabe von Sachen.
- 00:25:00 – Dürfen zufällig gefundene Tatmittel (z.B. Drogen oder Wahlplakate), die gar nicht gesucht wurden (Zufallsfunde) beschlagnahmt werden?
- 00:27:00 – Wie sollte man sich nach dem Ende der Durchsuchung verhalten und sollten die vorgelegten Unterlagen unterzeichnet werden?
- 00:30:00 – #Pimmelgate und die Frage, ob „Du Pimmel“ eine Beleidigung ist und eine Hausdurchsuchung rechtfertigt?
- 00:37:00 – Darf ein Innensenator als Dienstherr der Staatsanwaltschaft, auf eine Durchsuchung in eigener Sache Einfluss nehmen und was passiert, falls die Durchsuchung am Ende rechtswidrig war?
- 00:45:00 – Begründet eine rechtswidrige Hausdurchsuchung Schadensersatzansprüche?
- 00:48:00 – Wann darf die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss beantragen und was prüfen ErmittlungsrichterInnen, bevor sie ihm stattgeben.
- 00:55:00 – Kann bei Gefahr in Verzug auch ohne einen Durchsuchungsbeschluss durchsucht werden?
- 00:58:00 – Mit welchen Rechtsmitteln kann man gegen eine Hausdurchsuchung vorgehen?
- 00:59:40 – Wird Nettigkeit und Freundlichkeit vergolten?
- 01:05:00 – Braucht die Strafverteidigung eine „moralische Entkopplung“?
mario
30. September 2021 at 11:17Hier gibt es den SEHR hilfreichen Aufkleber: https://shop.digitalcourage.de/kategorie/digitalcourage-und-ccc-aufkleber/hausdurchsuchung-was-tun.html
alternativ gab es den auch in einer Datenschleuder Ausgabe, da lohnt sich also auch ein Abo 😉
Mara
30. September 2021 at 20:08Danke für die interessante Folge!
Mich würde noch interessieren, ob den Verantwortlichen (Staatsanwalt, Richter) einer nachträglich für unrechtmäßig befundenen Durchsuchung irgendwelche Konsequenzen erwachsen?
Titus von Unhold
2. Oktober 2021 at 6:30Zum Thema Videoaufnahmen ist mittlerweile sogar bei den Medien angekommen dass die Polizei mit den Verfahren wegen der Verletzung des Vertaulichkeit des Wortes versuchen ihre Macht zu missbrauchen…
Aber was ist mit Durchsuchungen in Anwesenheit von automatischer Videoüberwachung, Alexa oder Google Nest?
Wando Waiato
3. Oktober 2021 at 16:37Auch ich weiß jetzt seit kurzem, was der Spaß kostet, wenn man einem Polizeibeamten mit Hilfe eines flapsigen Spruches verdeutlichen will, dass man seine engstirnige Auslegung der StVO weder teilt noch begrüßt. Was war geschehen? Ich radelte auf dem Fahrradweg entlang einer Landstrasse im südlichen Schleswig-Holstein gerade entspannt meiner Wege und liess mir den Wind um die Ohren wehen. Mein Mobiltelefon halte ich wie gewohnt mit zwei Fingern der linken Hand die dabei gleichzeitig auf dem Lenker ruht um jederzeit die Kontrolle über Handbremse und Klingel zu haben. Werde ich während der Fahrt angerufen, halte ich zum Telefonieren an. Erstens weil man das so macht und zweitens möchte ich keinem Anrufer den „Sturm über Emden“ zumuten, den mein Telefon situationsbedingt übertragen würde. Ich denke mir auch nichts dabei, als ich einem Polizeiauto in entgegengesetzter Fahrtrichtung begegne. Schnell ist es an mir vorbei, schnell ist es aus meinem Kopf. Doch keine fünf Minuten später ist es plötzlich neben mir, hält vor mir an und man gibt mir zu verstehen, dass ich der Verkehrsteilnehmer bin, weswegen man extra auf der Landstraße den Wagen gewendet hat um mich nun auf eine kostenpflichtige Ordnungswidrigkeit hinzuweisen. „Sie hatten bei der Teilnahme am Straßenverkehr ihr Handy in der Hand. Das kostet jetzt 50 Euro.“ Ich erwidere: „Aber ich hab es doch gar nicht benutzt. Ich hatte es lediglich in der Hand. In der Hosentasche würde es beim Fahrradfahren ja eh nur stören.“ Daraufhin werde ich belehrt, dass alleine schon das in der Hand halten, selbst wenn ich mich gleichzeitig am Lenker festhalte, ausreiche, um gegen die Straßenverkehrsordnung zu verstossen. Vollkommen desillusioniert und den Glauben an das Gute im Verkehrspolizisten nun endgültig verloren, entgegnete ich etwas niedergeschlagen, aber ohne scharfen Ton in der Stimme, bei der Übergabe meines Personalausweises: „Und darauf holt ihr euch jetzt einen runter?“.
Wie ich ein paar Wochen später durch ein amtliches Schreiben erfuhr, fühlten sich die beiden Beamten doch tatsächlich schwer in ihrer Ehre verletzt und zutiefst beleidigt.
30 Tagessätze zu 35.- Euro oder wahlweise 30 Tage Freiheitsentzug.
Ein Idiot in Uniform ist immer noch ein Idiot.
fnord
hilti
6. Oktober 2021 at 21:42Wild ausgedachte Beispiele, aber was häufigeres wären doch die Kosten für die Reparatur der eingetretenen Haustür. Bekommt man da Schadensersatz?
Und dann ein Verweis auf einen deutschen Klassiker zum selben Thema: Vom 23C3: Udo Vetter – Sie haben das Recht zu schweigen https://youtu.be/ynbw1Fg91d4 Wobei beispielsweise die Sache mit der Vorladung seit 2006 geändert hat.2018 gabs ein Update https://youtu.be/E7diMXZr-8c
hilti
9. Oktober 2021 at 16:02Gibts einen grund weswegen mein Kommentar nciht freigeschaltet wird?
K.R.
24. Oktober 2021 at 17:04In Folge 74 wurde das Thema „Legal Tech“ nur kurz angerissen, deswegen wollte ich fragen ob ihr mal eine gesamte Folge darüber machen könntet? „Die KI als Richter/Rechtsanwalt“ fände ich extrem spannend.
Macht weiter so, finde eure Potcast sehr unterhaltsam und informativ. Ein Potcast von euch beiden würde ich mir über jedes Allerweltsthema anhören.
Ralf G
5. November 2021 at 18:34Mich hätte noch interessiert, wenn der Durchsuchungsbeschuss zu alt ist, was ja anscheinend öfters passiert, ob ich dann überhaupt jemanden reinlassen muss?