Nach einer kleinen Sommerpause melden wir uns mit einer Folge zu aktuellen Verschärfungen des Polizeirechts in Deutschland zurück.
Zwar ist das Polizeirecht Sache der Bundesländer, weshalb auch die Polizeigesetze je nach Bundesland Unterschiede aufweisen. In dem Podcast orientieren wir uns daher vor allem an dem seit 2018 verschärften bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG), was jedoch nicht das einzige seiner Art ist.
Derzeit werden Bestrebungen unternommen, bzw. waren schon erfolgreich, den Handlungsspielraum der Polizei auszuweiten.
Traditionell durfte die Polizei nur dann eingreifen, wenn eine konkrete Gefahr eingreifen. Nunmehr soll bei bedeutenden Rechtsgütern (zu denen auch Eigentum gehört) schon die Wahrscheinlichkeit, dass eine tatsächliche Gefahr entstehen könnte ausreichen, um eine Person z.B. ins Gewahrsam zu nehmen oder andere notwendige Mittel zu ergreifen (§ 11 Abs. 3 PAG).
Auch bei den Mitteln rüstet die Polizei auf. Sie greift auf nicht nur Fußfesseln oder Taser zurück. Mit Hilfe so genannter „Staatstrojaner„, sollen sich Polizeibehörden auch Zugrff auf die Rechner und Kommunikationsvorgänge von Bürgern zugreifen können.
Was dabei unseres Erachtens zu kurz kommt, die Abwägung der Vorteile für die Sicherheit mit den Gefahren derart weitreichender Polizeibefugnisse gegenüber den so genannten Gefährdern.
Die Kriminalitätsstatistik des BMI bietet aus unserer Sicht keine Rechtfertigung für eine derart weitgehende Verschärfung der Polizeigesetze (s. Tagesschau, auch wenn manche sie anders interpretieren).
Allerdings sprechen wir auch darüber, ob die Politik sich immer an objektiven Fakten orientieren und nicht auch die Gefühlslage der Bürger berücksichtigen muss.
Unterstützt werden wir von Katharina Nocun, die sich gegen die neuen Polizeigesetze engagiert. Sie erklärt uns, welche Argumente gegen die Verschärfung der Polizeigesetze ins Feld geführt werden und mit welchen Entwicklungen politisch zu rechnen ist.
Wir bedanken uns bei Katharina sehr für Ihren Besuch und die Unterstützung und wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Zuhören.
P.S. Und persönlich von mir sei angemerkt, dass wir nicht die Polizistinnen und Polizisten kritisieren. Unser Unbehagen gilt den politischen Akteuren, deren Sicherheitsdenken unseres Erachtens die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen überschreiten.
Shownotes:
- 00:04:53 – Die Funktion der Polizei in einem Rechtssaat.
- 00:07:07 – Die konkrete Gefahr als Grundlage für polizeiliches Handeln.
- 00:09:15 – Eine kleine Geschichte des Polizeirechts vom Kaiserreich bis zu den Antiterrorgesetzen.
- 00:15:45 – Welche Änderungen der Polizeigesetze kommen auf uns zu, bzw. sind schon verabschiedet worden?
- 00:23:30 – Warum das Bundesverfassungsgericht „Polizeigesetze“ schreibt und wie die Grenzen des Rechtsstaats immer weiter verschoben werden.
- 00:26:00 – Neue Maßnahmen der Polizei, von Tasern, über Fußfesseln, biogeologischer DNA-Auswertung, bis zur „Unendlichkeitshaft“ für so genannte Gefährder.
- 00:35:30 – Die Vorzüge einer positiven Prognose oder warum Polizeibeamten eher dazu zu raten ist, im Zweifel die neuen Gesetze anzuwenden.
- 00:41:00 – Wie stehen Juristen und die Politik zu den neuen Polizeigesetzen?
- 00:47:00 – Was ist ein „Staatstrojaner“ und was unterscheidet den „großen Staatstrojaner“ (d.h. eine Onlinedurchsuchung) von dem „kleinen Staatstrojaner“ (d.h. einem Zugriff auf laufende Kommunikation)“.
- 00:50:54 – Bringen die Reformen der Polizeigesetze auch Vorteile mit sich?
- 00:55:55 – Warum es gefährlich ist, das Sicherheitsgefühl der Bürger als Maßstab für Polizeigesetze zu nehmen.
- 01:06:30 – Wie könnten die Gesetzesverschärfungen aufgefangen zu werden, um Missbrauch zu verhindern?
Empfohlene Folgen
Beschlagnahme von Computern & Daten – Rechtsbelehrung Folge 17
Weiterführende Informationen
- Polizeigesetze – Denkangebot-Podcast Folge 2 von Katharina Nocun.
- Hamburg plant ein neues Polizeigesetz mit „Palantir-Paragraf“ bei netzpolitik.org von Marie Bröckner.
- Neugier und Datenkriminalität – Missbrauch polizeilicher Informationssysteme von Dr. Sebastian J. Golla in der LTO.
- Experten kritisieren massiv geplante bayerische Polizeirechtsreform bei heise Online.
- Mehr Befugnisse, mehr Sicherheit? von Peggy Fiebig beim Deutschlandfunk.
kluka
29. August 2019 at 8:09„Und persönlich von mir sei angemerkt, dass wir nicht die Polizistinnen und Polizisten kritisieren. „
Wieso nicht? Man sieht doch immer häufiger, dass ihr Verhalten und ihre Auslegung der Gesetze kritikwürdig ist.
„Unser Unbehagen gilt den politischen Akteuren, deren Sicherheitsdenken unseres Erachtens die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen überschreiten.“
Ich denke, es nicht zu sehr weit her geholt, dass die politischen Akteure die möglichen Konsequenzen schon im Blick haben – sie erwünschen diese.
Daher schlage ich vor, vielleicht mal eine Folge mit Daniel Loick über Rechtspraktik und Funktion der Polizei (oder so ähnlich) zu machen…
https://www.fr.de/frankfurt/polizisten-haben-haeufig-rechte-weltbilder-11415394.html
(Hab die Folge noch nicht gehört; aber vielleicht funktioniert der Gedankenanstoß ja)
Anonym
29. August 2019 at 13:48Mir fehlte ja die Frage nach der Einschätzung, ob die Bundesstaatsanwaltschaft eine Anzeige gegen die Innenministerkonferenz wegen des Anfangsverdachtes auf Bildung einer kriminellen Vereinigung entgegennähme…
Andre Michael Pietroschek
1. September 2019 at 21:37Wenn ich einer Autorin Hinweise geben muss, was Grundlagen der Schriftstellerei, oder Rechtschreibung & Grammatik Kontrollen, betrifft:
Traditionell durfte die Polizei nur dann eingreifen, wenn eine konkrete Gefahr eingreifen.
BASTEL ICH MAL ZU:
Traditionell durfte die Polizei nur dann eingreifen, wenn eine konkrete Gefahr bestand.
nachteile von uni gruppenarbeiten
28. September 2019 at 21:53Wie stehen Juristen und die Politik zu den neuen Polizeigesetzen? Ich habe die Antwort auf diese Frage nicht gehört