Einen Fingerabdruck auf den Sensor legen, um das Smartphone zu entsperren, ist bequem und einfach. Aber darf der Finger auch unter Zwang von Polizeibeamten geführt werden? Der Bundesgerichtshof hat diese Frage in einem Beschluss von diesem Jahr bejaht (BGH, 13.03.2025, Az. 2 StR 232/24).
Eine altes Gesetz für moderne Technik
Ermittlungsbehörden dürfen nach Ansicht des BGH Beschuldigte unter Zwang dazu bringen, ihr Smartphone mittels biometrischer Verfahren freizuschalten. Begründet wird dies mit einer erkennungsdienstlichen Vorschrift aus den 1960er Jahren, die nach Auffassung des Gerichts auch auf moderne biometrische Daten anwendbar ist (§ 81b StPO).
Kritik an der Entscheidung
Die Entscheidung ist hoch umstritten. Kritiker sehen darin eine verfassungswidrige Ausweitung des Strafprozessrechts. Eine Norm, die eigentlich nur die Feststellung körperlicher Merkmale erlaubt, wird plötzlich zur Universalermächtigungsgrundlage für tiefgreifende Eingriffe in das digitale Leben. Damit geraten der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit und das IT-Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität der Endgeräte massiv unter Druck.
Diskussion mit Dr. Felix Ruppert

Gemeinsam mit unserem Gast Dr. Felix Ruppert, der die Entscheidung bereits scharf kritisiert hat (StV-S, 8/2025, LTO, Deutschlandfunk Kultur), sprechen wir darüber, warum die Argumentation des BGH auf wackeligen Füßen steht.
Außerdem geht es um die Rolle von Zufallsfunden, die Grenzen durch Verhältnismäßigkeit und Durchsuchungsbeschlüsse, die Frage, ob Ermittlungsbehörden mit dem Urteil einen Blankoscheck in den Händen halten, und warum die letzte Instanz wohl das Bundesverfassungsgericht sein könnte.
Praktische Fragen
Zum Schluss diskutieren wir auch die praktische Seite. Wie sollte man sich als Beschuldigter verhalten und sind biometrische Sicherungen wirklich die beste Wahl?
Wir bedanken uns herzlich bei unserem Gast und wünschen wie immer viel Vergnügen beim Hören.
Zeitmarken
- 00:00:00 – Einführung ins Thema und Vorstellung des Gastes
- 00:09:40 – „Freiwillige“ Entsperrung unter psychischem Druck – ist die Einwilligung wirksam?
- 00:15:00 – Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit
- 00:16:45 – Dreiklang: Freiwilliger Zugang, biometrische Entsperrung, technischer Zugriff ohne Mitwirkung des Besitzers
- 00:18:00 – Das Smartphone als zentraler Datenpunkt des modernen Menschen
- 00:24:00 – Zufallsfunde im Strafverfahren – dürfen sie verwertet werden?
- 00:27:00 – Technisches Aufbrechen, Durchsuchen von Endgeräten, Beschlagnahme von Daten & Kommunikationsüberwachung
- 00:33:30 – Erzwungene biometrische Entsperrung – darf man sich dagegen wehren?
- 00:37:30 – Welche Rechtsgrundlage gibt es für die Zwangsentsperrung?
- 00:45:00 – Technikoffenheit und kreative Rechtsauslegung: eine Blankovollmacht für Ermittlungsbehörden?
- 00:53:50 – Ein Fall für das Bundesverfassungsgericht?
- 00:56:40 – Durchsuchungsbeschluss & Verhältnismäßigkeit als Grenzen der Zwangsentsperrung
- 01:04:00 – Reaktionen auf das Urteil
- 01:08:00 – Verwertung rechtswidrig erlangter Beweise – und warum die konkrete Sachlage (Kindesmissbrauch) das Urteil beeinflusst haben könnte
- 01:16:00 – Zukunftsperspektiven: Welche Entwicklungen sind zu erwarten?
- 01:20:00 – Praktische Tipps: Wie sollte man sich verhalten?



Anonym
16. September 2025 at 14:16Aus der Erlaubnis, die Fingerabdrücke zu nehmen, die Befugnis abzuleiten, mit meinem Finger mein Gerät zu entsperren … ist wie auf Grubdlage der Aufnahme meiner Personalien den Diebstahl.meiner Identität zu erlauben. Wild.
Hans-Jürgen
18. September 2025 at 0:48Schöne Folge! Eine Anmerkung zum praktischen Umgang mit dem Thema. Wenn man bei Android 5 mal die Taste zum Sperren des Handys drückt, dann wird ein Notfallanruf aktiviert. Den kann man innerhlab von 5 Sekunden abbrechen, aber der relevante Nebeneffekt ist, dass das Handy anschließend mit Code entsperrt werden muss – selbst wenn Fingerabdruck oder Gesichtserkennung aktiviert sind. Bei iPhones gibt es sicherlich etwas ähnliches.
Simpel
29. September 2025 at 10:44Bei meinem iPhone (13 mini) muss man für 3 Sekunden links und rechts gemeinsam die Knöpfe drücken. Links ist es egal welcher von den beiden genommen wird, rechts ist ja eh nur einer, Man bekommt auch ein haptisches Feedback mit einem leichten Rüttler. Ab diesem Zeitpunkt muss man den Code eingeben. Den darauf folgenden Schirm mit der Auswahl für „Auschalten“, „Notfallpass“ oder „Notruf“ kann man einfach abbrechen.
Ich finde das Rütteln als Rückmeldung prima, weil ich so das Manöver auch ohne Hinzusehen in der Hosentasche machen kann.
Sebastian
18. September 2025 at 10:21Mit stellt sich noch die Frage, was mit einmal erkennungsdienstlich erhobenen Daten gemacht werden darf. Rein theoretisch, wenn insbesondere die Formulierung „dem Strafverfahren dienlich“, oder wie die genau ging, nicht vorhanden wäre: Dürften von gescannten Fingerabdrücken physische Kopien zum Entsperren angefertigt werden? Oder unterliegen die einer präzisieren Zweckbindung?
Yrrsinn
1. Oktober 2025 at 18:57Ich spiele mal etwas Advocatus Diaboli,
zum entsperren des Smartphones mit einem Fingerabdruck.
Das Entsperren des Smartphones mit einem Fingerabdruck entspricht einer Hausdurchsuchung bei der die Computer zwar verschlüsselt sind, das Passwort aber auf einem Zettel am Monitor steht.
D.h. für das Entsperren des Smartphones mit Fingerabdruck braucht es einenen Beschluss vom Richter, dann ist die Verwendung des Fingerabdrucks aber keine besondere Hürde.
Aus dem Fingerabdruck kann natürlich auch ein künstlicher Finger erzeugt werde, d.h. für das Entsperren braucht es gar nicht die Person, bzw. körperlichen Zwang.
tl;dr Biometrie ist kein geeignetes Mittel, um ein Smartphone zu sichern.