Als „Adbusting“ (Beispiele) wird die Verfremdung, Veränderung oder Umgestaltung von Werbung auf öffentlichen Außenflächen bezeichnet.
Adbusting – Kunst oder Vandalismus?
Adbusting ist meistens politischer Natur und ist vermehrt ab sechs Wochen vor politischen Wahlen zu beobachten. Ab dann dürfen Parteien den öffentlichen Raum für sich beanspruchen und versuchen auf Wahlplakaten die Gunst der Wählerschaft für sich zu gewinnen.
Wahlplakate werden jedoch nicht selten übermalt, mit Texten ergänzt, in ihrer Aussage verändert, überklebt oder abgerissen. Während die Adbuster sich auf die Freiheit der Meinung und der Kunst berufen, sehen andere darin bloßen Vandalismus.
Ob dieser Unterschied relevant ist, welche Strafen Adbustern drohen und wie sie Straftaten am besten vermeiden können, erklären wir sowohl im Hinblick auf das Straf-, das Zivilrecht und das Urheberrecht.
Anti-Grüne-Plakate
Anlass für das Thema war die bei dem Vermieter von Außenwerbeflächen Ströer geschalteten Plakate, auf denen die Partei „Die Grünen“ diskreditiert wurden. Diese Plakate wurden auch von anderen Parteien kritisiert und Ströer wurde vielfach vorgeworfen, den Werbeauftrag nicht abgelehnt zu haben.
Zumindest auf einem Instagram Kanal von Ströer wurde jedoch vertreten, dass der Auftrag nicht hätte abgelehnt werden dürfen. Ob dies zutrifft und die Kritik an dem Unternehmen insoweit berechtigt war, haben wir ebenfalls geprüft und hierzu auch den Experten für Kartellrecht, Dr. Sebastian Louven befragt (den wir in den Folgen „Kartellrecht, Marktmacht und Facebook“ #53 sowie „Virtual Reality, Facebook, WhatsApp und Macht der Plattformen #87 als Gast begrüßen durften).
Seinen vollständige Einschätzung aus kartellrechtlicher Sicht:
Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann zwar unter engen Voraussetzungen einem kartellrechtlichen Kontrahierungszwang unterliegen.
Das wäre dann der Fall, wenn eine Geschäftsverweigerung in Form der Ablehnung missbräuchlich wäre. Das ist dann der Fall, wenn es keine sachliche Rechtfertigung für die Ablehnung gibt. Eine solche sachliche Rechtfertigung verlangt aber nicht nur, dass Werbung gegen Gesetze verstößt oder inhaltlich rechtswidrig ist. Auch unterhalb dieser Schwelle kann ein marktbeherrschendes Unternehmen Kriterien definieren, nach denen es Anfragen ablehnt.
Das hat auch der BGH vor wenigen Wochen in seiner jüngsten Facebook-Entscheidung so festgehalten. Denn auch marktbeherrschende Unternehmen, sogar Monopolisten haben noch ein unternehmerisches Selbstbestimmungs- und Gestaltungsrecht. Sie können also ihre Produkte und Dienstleistungen selbst, frei und autonom gestalten und haben ein Ermessen.
Dieses Ermessen kann jedoch kartellrechtlich überprüft werden. Nicht mehr zulässig wären willkürliche oder widersprüchliche sowie nicht zur Verfolgung eines legitimen Zwecks erforderliche und angemessene Maßnahmen. Aus diesem Grund darf eine Kommunikationsplattform etwa Verschwörungstheoretiker sperren, auch wenn deren konkret unsinnige Äußerungen in sich straflos wären.
Mit derselben Begründung hätte Ströer auch eine Werbemaßnahme ablehnen dürfen, die offensichtlich auf Desinformation und Beeinflussung des Bundestagswahlkampfs ausgerichtet ist. Daraus allein kann man allerdings noch nicht schlussfolgern, dass Ströer hätte ablehnen müssen. Die Verpflichtung ist aber aus kartellrechtlicher Sicht abwegig.
Wir bedanken uns bei Dr. Louven, sind auf die Kommentare zu der Folge gespannt und wünschen viel Vergnügen beim Zuhören.
Kapitel
- 00:02:20 – Ströer, Wahlwerbung und mutmaßliche Veröffentlichungspflichten.
- 00:04:00 – Was sind die Unterschiede zwischen Wahlwerbung und sonstiger Werbung.
- 00:06:00 – Sachbeschädigung, „Sprayerparagraph“ und Antragsdelikte.
- 00:25:30 – Stellt das Adbusting eine Urheberrechtsverletzung oder eine zulässige Parodie dar?
- 00:29:00 – Ist digitales und unkörperliches Adbusting, z.B. durch Änderung von Displays und Lichtprojektionen strafbar?
- 00:31:30 – Zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche.
- 00:33.30 – Diebstahl, besonders schwerer Diebstahl und geringwertige Sachen.
- 00:40:30 – Ist das alles von der Kunstfreiheit gedeckt?
- 00:44:30 – Verletzung von Namensrechten durch nachahmende Werbung.
- 00:46:00 – Beleidigung oder Schmähung vom Personen und Unternehmen.
- 00:49:30 – Darf man die Werbeplakate unbeteiligter Unternehmen für Adbusting einsetzen?
- 00:52:00 – Hausdurchsuchung zur Verfolgung des Adbusting?
- 00:55:00 – Abhängen und Wiederaufhängen von Wahlplakaten.
Weiterführende Links und Urteile:
- Beispiele für Adbusting.
- „‚AdBusting‘ im gesellschaftspolitischen Meinungskampf“ von Oliver Lampe und Steffen Uphues in NJW 2021, 730 ($).
- „Wie eine Warnweste unsichtbar macht“ von Jacqueline Dinser in der taz.
- „Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt“ von Andreas Fischer-Lescano und Andreas Gutmann im Verfassungsblog.
- „Eine Jurastudentin zieht nach Karlsruhe“ von Pia Lorenz bei der LTO.
- „Mit Geheimdienst, Polizei und Terrorabwehrzentrum gegen ein paar veränderte Plakate“ von Markus Reuter bei Netzpolitik.org.
- „Unverhältnismäßigkeit der Mittel“ von Thilo Eggerbauer in der SZ.
- Landgericht Hamburg lehnt einstweilige Verfügung gegen den NDR wegen der Sendung „extra 3“ vom 27. April 2017 ab.
Anonymous
19. August 2021 at 18:39Moin!
Ich habe mir eben diese sehr schöne Folge des Podcasts angehört. Allerdings muss ich Thomas leider berichtigen:
Am Ende sagte er, dass die nicht dauerhafte Wegnahme eines Wahlpakts ein Diebstahl sein kann, auch wenn das Plakat nach der Wahl wieder aufgegangen wird. Richtigerweise verweist er darauf, dass die Zugeignungsabsicht nicht auf eine dauerhafte Aneignung der Sache gerichtet sein muss. Allerdings unterschlägt er, dass der Enteignungsvorsatz – einer der beiden Teile der Zugeignungsabsicht – sehr wohl nach Willen des Täters auf die dauerhafte Entziehung der Sachgewalt des Berechtigten gerichtet sein muss.
Daher haben wir bei unserem Fall keinen Fall eines Diebstahls, sondern nur den einer straflosen Gebrauchsanmaßung. Sorry fürs Klugscheißern, eine der wenigen Sachen, die ich mir Strafrecht gemerkt habe 🙂
LG
Ich
Thomas Schwenke
20. August 2021 at 18:27Top und herzlichen Dank! Kommt in das nächste Obiter Dictum.
mario
20. August 2021 at 22:40Was ist mit den Wahlplakaten die gegen die Regeln verstossen(z.b. unter 2,5m Quelle: https://www.kommunal.de/wahlplakate-aufhaengen-recht) hängen? Sind das auch anzeigepflichtige Delikte? Wenn ich das dem OA melde und das OA nicht tätig wird was kann man tun?
Johannes Scheele
21. August 2021 at 18:03Was wäre, wenn man jetzt mit einer Leiter die an den Laternen sehr hoch aufgehängten Plakate nur tiefer zieht, vielleicht mit der Absicht, dass jemand anderes diese dann leichter entwenden kann.
Ist dies irgendwie verboten?
ist vorhanden
16. September 2021 at 8:35Ich musste sofort an eure Folge denken, als ich an einem AFD Plakat vorbei fuhr, dass auf gefühlt 5 Metern Höhe angebracht war und darunter ein Die Partei Plakat mit dem Slogan „Lügen haben lange Leitern“ hang.
Was wäre es denn, wenn jemand das Plakat noch weiter nach oben schieben würde, so das man schon eine sehr sehr sehr lange Leiter brauchen würde?
Vielen dank für diese und viele andere tolle Sendungen.