In dieser Folge beschäftigen wir uns mit einem ernsten Thema, der gezielten Ansprache Minderjähriger zwecks Anbahnung sexueller Kontakte, bezeichnet als „Cybergrooming„.
Unser Gast umschreibt als eine der wesentlichen Ursachen des Cybergroomings mit dem „Broken Web Phänomen„. Nach seiner Ansicht führen die als Beiträge oder Kommentare dauerhaft sichtbare Rechtsverletzungen im Internet, zur Senkung der Hemmschwelle bei den Tätern.
Als Lösung fordert Thomas-Gabriel Rüdiger neben
- der frühen Aufklärung der Minderjährigen zusätzlich
- ein schärferes Vorgehen der Plattformbetreiber gegen tendenzielle Ansprachen von Minderjährigen sowie
- strengere Trennung zwischen Erwachsenen und Minderjährigen (z.B. in Onlinespielen)
- eine höhere Präsenz von Polizisten im Internet und
- die Möglichkeit die Polizeiarbeit effizient konzentrieren zu können, statt der bestehenden Pflicht jedes Delikt unabhängig von seiner Relevanz und Aussicht auf Erfolg verfolgen zu müssen (so genanntes „Legalitätsprinzip„).
Über diese Ansichten lässt sich, wie bei neuen Wissenschaftsbereichen, durchaus streiten. Denn sie sind zugleich mit Einschränkungen für erwachsene Nutzer verbunden. Auf der anderen Seite zieht unser Gast die sichtbare (und damit anfechtbare) Onlinepräsenz der Polizisten, einer heimlichen Überwachung der Nutzer vor.
Es ist sicherlich keine thematisch einfache Folge und wir bitten insoweit um Verständnis, als wir das Thema juristisch- und polizeilich mit einem sachlichen Abstand diskutieren.
Sollte das Thema für Sie jedoch zu sensibel sein oder Sie sich eine psychische und seelische Hilfe und Aufklärung wünschen, verweisen wir zusätzlich oder stattdessen auf die Informationen zu Hilfestellen und Beratung beim unabhängigen Beauftragten für Fragen des Kindesmissbrauchs.
Weitere Hinweise und Links erhalten Sie nach den Shownotes.
Wir bedanken uns bei Thomas für die Einladung und die spannenden und überraschenden Erkenntnisse.
P.P.S. da dieser Unterschied im Podcast genannt wird: Verbrechen sind Straftaten, die mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht sind. Liegt die Mindestfreiheitsstrafe unter einem Jahr, handelt es sich um ein Vergehen. Bei der für Cybergrooming maßgeblichen Strafvorschrift des § 176 Abs. 4 Nr. 3 Und Abs. 4 StGB kann die Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren betragen, enthält jedoch keine Mindestdauer.
Shownotes
- 00:02:00 – Vorstellung unseres Gastes und was ist eigentlich ein „Cyberkriminologe“
- 00:10:00 – Was ist das Cybergrooming und warum auch Minderjährige Täter sein können
- 00:17:00 – Das Legalitätsprinzip oder warum die Polizei auch gegenüber Minderjährigen tätig werden muss.
- 00:20:00 – Warum es wichtig ist, auch Minderjährige als Täter vor den Augen zu haben.
- 00:22:00 – Wann ist der Tatbestand des Cybergroomings strafrechtlich erfüllt?
- 00:24:00 – Unterschiede zwischen Intimitätstätern und hypersexualisierten Tätern.
- 00:28:00 – „Broken Web“, warum die Täter geringe Hemmschwellen haben und warum eine hohe Aufklärungsquote (87 %) kein gutes Zeichen ist.
- 00:32:30 – Wie ist die Dunkelquote gegenüber den angezeigten Taten und wo sind die Täter am häufigsten anzutreffen?
- 00:40:00 – Was ist die beste Präventationsstrategie?
- 00:42:00 – Welche Arten von Polizeipräsenz gibt es im Netz und warum die sichtbare Polizeipräsenz im Netz wichtig ist.
- 00:46:00 – Was bedeutet „Broken Web“ und was bedeutet die Fixierung von Gesetzesverletzungen für die Senkung der Hemmschwelle?
- 00:54:00 – Lüchow-Dannenberg-Syndrom – Wenn man die Polizei irgendwo ins Netz schickt, dann wird die Kriminalitätsrate nicht sinken, sondern steigen.
- 00:58:00 – Digitale Generalprävention und Verantwortung von sozialen Netzwerken.
- 01:02:00 – Schulungspflichten für Moderatoren?
- 01:06:30 – Ist eine Versuchsstrafbarkeit sinnvoll?
- 01:10:30 – Was sind die Empfehlungen für Eltern?
Weitere Informationen und Links
- Informationen zum Cybergrooming und Hilfestellen Unabhängiger Beauftragter für Fragen des Kindesmissbrauchs.
- „Polizei im digitalen Raum“ von Thomas-Gabriel Rüdiger in Zeitschrift der Bundeszentrale für Politische Bildung, APUZ 69. Jahrgang 21-23/2019, S. 18-23.
- „Cyberkriminologie – Kriminologie für das digitale Zeitalter„, von Thomas-Gabriel Rüdiger und Petra Saskia Bayerl, ISBN 978-3-658-28507-4, Springer Verlag (2020, in Veröffentlichung).
- „Das Broken Web ?“ von Thomas-Gabriel Rüdiger auf LinkedIn.
- „Digitale Generalprävention ohne Medienbildung? Undenkbar!“ von Thomas-Gabriel Rüdiger auf LinkedIn.
- „NUR30MIN – DANN IST ABER SCHLUSS“ Ein Podcast von Patricia Cammarata & Marcus Richter zur Medienerziehung von Kindern
Olle Frohe
25. Januar 2020 at 2:03Zunächst bin ich ein riesiger Fan von der Rechtsbelehrung. Der Podcast zu Kindesmissbrauch hat mir aber nicht gefallen. Das Problem des Kindesmissbrauchs ist natürlich ein sehr wichtiges und auch heikles Thema.
Die Diskussion war sehr einseitig und wenig differenziert, als es um die möglichen Lösungsansätze ging.
Der Herr Rüdiger redet zu emotional, was natürlich meistens kein Problem ist, aber dadurch resultiert eine Undifferenziertheit die mir nicht gefällt.
Die meisten Vorschläge sind juristisch unhaltbar, utopisch und einfach skurril. Gerade wenn es um Kontrolle von Identitäten gibt, Kontrolle der Netzwerke von Kommentaren und weitere…
Zu dem lässt er viele Bereiche, wie soziale Medien und Spiele sehr schlecht dastehen. Aber wie es auch immer ist wenn man den Dreck sucht findet man den. Es mag ein Problem höchster Relevanz sein aber es ist so aufgeplauscht. Es gibt viele andere Probleme.
Mir scheint es, dass die Personen die sich mit einem Thema beschäftigen denken, dass genau das Thema das wichtigste ist.
Ich will trotzdem meinen Dank hier lassen. Ich warte sehnsüchtig auf jede Folge und freue mich euren Diskussionen lauschen zu können.
Lg
Felix
18. Juli 2020 at 16:39Ich habe diese Folge ewig vor mir her geschoben, weil ich Angst vor dem Thema hatte. Daher möchte ich hiermit kurz meinen herzlichsten Dank aussprechen. Ich fand alles daran super. Das Thema war faszinierend ohne unnötig schockierende Themen anzureissen, der Gast brachte eine angemessene Lockerheit mit, die es auch brauchte – rundum bin ich sehr fasziniert von dem gelernten, eurer Aufbereitung und dem Inhalt. Vielen Dank 🙂