Das ist Spökes, das ist Nonsens, das ist Unfug
sagt unser Gast Henning Krieg (Syndikusanwalt & Law-Blogger) in der heutigen Podcastfolge. Gemeint sind viele der Disclaimer und Rechtsmythen, die im Internet verbreitet werden.
Marcus Richter und ich haben unsere Follower und Hörer dazu aufgerufen, uns Beispiele solcher Disclaimer einzuschicken und haben (fast) alle besprechen, widerlegen oder auch bestätigen können. An dieser Stelle ein großes Dankeschön, Eure Tipps, Vorschläge und Kommentare helfen uns riesig beim Podcasten.
Im Folgenden die Übersicht aller besprochen Disclaimer & Mythen mit weiterführenden Hinweisen, Anmerkungen und Zeitmarken (hh:mm:ss):
- 00:03:45 – Linkdisclaimer – Linkdisclaimer sind überflüssig, da die Haftung für Links gesetzlich geregelt ist und nicht pauschal durch einen Disclaimer ausgeschlossen werden kann. Zum einem haftet für fremde Rechtsverstöße nur derjenige, der sie sich zu Eigen macht (z.B. „Das was hier steht, sehe ich genauso: http://…“ oder die Rechtsverstöße offensichtlich sind (z.B. Links zu illegalen Musikdownloads). In solchen Fällen verbreitet man das Unrecht jedoch weiter und dagegen hilft kein pauschaler Disclaimer. Allenfalls können ausdrückliche Hinweise das Unrecht, welches per Link weiter verbreitet wird, wiedergutmachen (z.B. „Was dort steht, halte ich für unzutreffend“) oder die Verbreitung ist durch die Pressefreiheit gedeckt (Heise vs. Musikinduistrie).
- 00:12:10 – Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt – Diesen Disclaimer findet man oft in Impressen (auch als Video). Er hat jedoch keine Wirkung und sollte wenn schon, dann höflich formuliert werden. Zudem kann dieser Disclaimer „ins Auge gehen“, wenn man sich selbst nicht an den eigenen Disclaimer hält und andere ohne vorherigen Kontakt abmahnt.
- 00:17:45 – E-Mail Disclaimer (diverse Arten) – Diese „Disclaime“r sind rechtlich ohne Bedeutung und eher als „Angstklauseln“ zu verstehen, wenn man von seltenen Ausnahmen absieht. Weitere Ausführungen zu E-Maildisclaimern finden Sie bei der RAin Sieling, RA Vetter und RA Dr. Ernst. Eine Sammlung von rund 150 dieser Stilblüten findet sich im „Angstklauseln“-Blog.
- 00:33:05 – ©-Zeichen als Voraussetzung für den Urheberrechtsschutz – Das Urheberrecht entsteht automatisch wenn dessen gesetzliche Voraussetzungen vorliegen und nicht weil jemand es bestimmt. Das ©-Zeichen ist daher nur ein Hinweis auf ein eventuell bestehendes Urheberrecht. Trotzdem ist es sinnvoll das Zeichen zu nutzen, um auf diese Art und Weise die unberechtigte Nutzung von Inhalten durch diejenigen zu verhindern, die diesem Rechtsmythos glauben.
- 00:37:45 – No copyright infringement intended – Dieser Disclaimer nützt wenig, da Urheberrechtsverstöße auch ohne Vorsatz begangen werden können.
- 00:39:55 Meldet sich der Urheber auf Anfrage nicht, darf ich dessen Werk nutzen – Nein, keine Meldung ist eher ein Verbot als eine Einwilligung.
- 00:40:00 – Inhalte auf Social Media Plattformen dürfen frei verwendet werden – Die Verwendung der Nutzerinhalte ist nur im Rahmen der Plattformfunktionen zulässig. (s. Beitrag Teilen im Netz – oder die rechtlichen Grenzen und Gefahren der Verwendung von User Generated Content bei Facebook, Google+, Youtube, Twitter, Instagram & Co.
- 00:41:16 – Haben Social Media Plattformen alle Rechte an den Nutzerinhalten – Im Regelfall behalten sich die Plattformen Rechte zur Nutzung der Inhalte, um die Inhalte verwalten oder um sie zu Werbezwecken nutzen zu können (z.B. so genannte Sponsored Stories bei Facebook). Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob die letztere Rechteeinräumung wirksam ist. Der Vorbehalt aller Rechte wäre unwirksam.
- 00:44:45 – Ein Zitat ist zulässig, wenn der Name der Quelle angegeben wurde – Dadurch vermeidet man ein Plagiat, aber nicht eine Urheberrechtsverletzung. Diese setzt vor allem voraus, dass das Zitat als Beleg der eigenen Gedanken dient. So ist es zulässig bei einer Diskussion ob Vanilla Ice Musik von Queen übernommen hat, zu Vergleichszwecken kurze Auszüge aus diesen Stücken abzuspielen. Dagegen wäre es nicht zulässig Passagen aus anderen Musikstücken in das eigene Werk zu übernehmen, damit das eigene Stück besser klingt. Weitere Erklärungen zu Zitaten finden Sie in den Beiträgen Texte richtig zitieren, statt plagiieren (Anleitung mit Checkliste) und Wann ist ein Bildzitat erlaubt? – Anleitung mit Beispielen und Checkliste.
- 00:46:35 – Kurze Musikschnipsel bis zu 3 Sekunden, 3 Akkorden oder Texte bis zu 100 Wörtern sind nicht urheberrechtlich geschützt – Bei Musikstücken können schon „wenige Tonfetzen“ geschützt sein. Auch bei Texten kann bereits ein kurzer Limerick die für das Urheberrecht nötige Schöpfungshöhe erreichen.
- 00:49:35 – Wer in die Kamera lächelt, erklärt sich mit der Veröffentlichung eines Bildes im Internet einverstanden – Ja, aber nur, wenn die Person weiß, dass das Bild online veröffentlicht wird (Disco-Fotos).
- 00:52:30 Ab 5 Personen im Bild brauche ich deren Einwilligung nicht, um das Bild zu veröffentlichen – Das ist nicht wahr und gilt nur, wenn es eine öffentliche Versammlung, Aufzug oder ein ähnliches Beisammensein ist, bei dem die Teilnehmer einen gemeinsamen Zweck verfolgen.
- 00:56:40 – ebay-Klausel 1: Nach dem neuen EU-Recht gebe ich keine Garantie – Das ist so nicht richtig, jedoch kann die Gewährleistung durch Privatpersonen ausgeschlossen werden. Dazu verweise ich auf den Beitrag 7 volkstümliche Rechtsirrtümer bei Ebay bei Hoaxbusters.
- 01:00:14 – ebay-Klausel 2: Negative Bewertungen nach Absprache – Auch diese Klausel ist unzulässig, man darf den Käufern nicht die Meinung verbieten. Jedoch gibt es Grenzen für zulässige Bewertungen. So müssen die behaupteten Tatsachen wahr sein und die Meinungen dürfen die Grenze zur Beleidigung nicht überschreiten.
- 01:02:10 „Arschloch“ stellt laut Kölner Gerichten keine Beleidigung dar – Das kommt ganz auf den Zusammenhang an und die im Podcast angesprochene Entscheidung des LG Köln „Die Bezeichnung eines Prozeßgegners in einem Internetforum als „Arschloch“ ist keinen Beleidigung, sondern eine „pointierte Äußerung“ des Mißfallens“ sollte als ein Ausnahmefall betrachtet werden.
- 01:04:10 (Fast) Das Ende dieses Podcasts
- 01:05:00 – Mein Blog ist privat, denn ich verdiene damit ganz wenig und nur über Spenden – Die Schaltung von Werbung oder Einnahme von Spenden kann dazu führen, dass ein Blog geschäftlich wird und damit strengeren gesetzlichen Anforderungen unterliegt.
- 01:08:00 – Mein Privatblog braucht kein Impressum – Das Gesetz stellt beim Impressum nicht zwischen privat und geschäftlich. Allerdings entfällt bei Privatblogs das Risiko von Wettbewerbern abgemahnt zu werden (so denn sie tatsächlich privat sind).
- 01:10:35 Keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Inhalte der Website – Zum einem kann ein Websiteinhaber einem Websitebesucher ohne eine Vorschaltseite oder Registrierung nicht nachweisen, dass er das Impressum tatsächlich gelesen hat. Zum anderen birgt die Klausel eine Abmahnungsgefahr. Denn sie kann gegen die Pflicht verstoßen, Verbraucher über Umstände wie Preise, Versand, etc. verbindlich zu informieren. . Sie sollte daher allenfalls punktuell und deutlich sichtbar, z.B. unter Artikeln, verwendet werden.
- 01:16:50 Juristen ist der Zutritt verboten – Das „virtuelle Hausrecht“ erlaubt es zwar Personengruppen oder Personen von Webangeboten auszuschließen, jedoch nur wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Das ist bei einer pauschalen Ausgrenzung von Juristen nicht der Fall.
- 01:18:05 – Verlinkung dieser Website ist ohne Zustimmung verboten – Deep Links sind zulässig, außer es wird ein Zugangsschutz überwunden (Paperboy, Screen Scraping)
- 01:23:00 Ich widerspreche allen Werbezusendungen – E-Mailwerbung darf ohnehin nur mit Einwilligung der Empfänger verschickt werden. Bei der Postwerbung sieht es anders aus, allerdings wird man dem Versender nachweisen müssen, dass er diesen Widerspruch tatsächlich gesehen hat.
- 01:24:00 – Rechtsanwälte können von sich aus Abmahnungen aussprechen – Nur wenn deren eigene Rechte verletzt worden sind, Ansonsten nur wenn der Anwalt durch einen Mandanten beauftragt worden ist.
- 01:28:05 Man kann mir nicht nachweisen, dass mir die Abmahnung zugegangen ist – Der Abmahnende muss zuerst nur nachweisen, dass die Abmahnung abgeschickt worden ist. Der Empfänger kann zwar theoretisch bestreiten, dass er die Abmahnung nicht erhalten hat, jedoch wird ihm der Nachweis des Nichtzugangs praktisch sehr schwer fallen.
- 01:29:32 Das deutsche Recht gilt für mich nicht, da ich ausländische Domains/Server nutze – Nein, grundsätzlich gilt das Recht des Landes in dem man sitzt und zusätzlich des Landes, dessen Bürger als Zielgruppe adressiert werden. Das im Podcast angesprochene Beitrag des RA Feldmann BGH bejaht Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf der Website der New York Times und das Urteil zur Arzneimittelwerbung im Internet.
- 01:36:25 Der Rechtsweg ist ausgeschlossen – Das LG Hannover entschied 2009, dass diese Klausel bei einem Radiogewinnspuel wirksam ist und die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus Gewinnspielen verhindern kann. Update 10.01.2014 mit Dank für den Hinweis an RA Sebastian Hoegel: Das OLG Dresden bei einem Postkartengewinnspiel war allerdings einer anderen Ansicht. D.h. es leider doch nicht so klar, ob die Klausel wirksam ist.
Weitere Beiträge zu Disclaimern und Rechtsmythen:
- Internetrecht: Es ist nicht alles Schwachsinn, aber doch fast – 21 Fakten über Disclaimer im t3n-Magazin
- Nutzloser Abwehrzauber – Zur Wirksamkeit von Web-Disclaimern von RA Joerg Heidrich und Christoph Köster
- Der Disclaimer – 10 Jahre unausrottbarer Schwachsinn von RA Dr. Bahr
- Über den (Un)Sinn von Disclaimern von Martin Rätze
- Inhalte im Impressum: Von diesen Formulierungen solltest du die Finger lassen von Dominik Horn
Wir freuen uns wieder über Kommentare und Themenvorschläge sowie Bewertungen bei iTunes.
Mirco
9. Januar 2014 at 14:11Schön, das die Podcastvorsätze gleich beim ersten Anlauf gebrochen wurden. Dieser Podcast kann gar nicht lang genug sein.
Weiter so. Zählt zu meinen absoluten Lieblingen.
Danke sehr für eure Zeit, die Informationen und dem ganzen Rest
Lukas
9. Januar 2014 at 14:34Habe vor ein paar Tagen noch einen schönen Disclaimer gefunden:
Habe den Autor jetzt extra nicht benannt.
Danke für den Podcast.
Lukas
Deus Figendi
10. Januar 2014 at 6:22Ich habe unter mein Impressum dieses geschrieben:
Gurkenglas
10. Januar 2014 at 9:26Zum Thema „Mein Blog ist privat, denn ich verdiene damit ganz wenig und nur über Spenden“:
Ich vermute schwer, meine private Webseite ohne Werbeeinnahmen, wird auch geschäftsmäßig, wenn ich auf meine Amazon Wunschliste verweise. Das sind ja auch Spenden, wie Flattr. Aber eben kein Geld, sondern Dinge.
Aber vermutlich kommt es da auch wieder drauf an.
Simon
2. Februar 2014 at 19:24Sehr gute Frage! Das würde mich auch sehr interessieren!
Simon
2. Februar 2014 at 19:22Vielen Dank für diese schöne Folge. Auch der nette Gast war eine schöne Bereicherung!
Nun habe ich noch eine Frage: Ich betreibe z.B. einen Blog der zwar von mir Deutschem Staatsbürger (und .DE-Domain) betrieben wird, sicher aber an internationales Publikum richtet (komplett in Englisch geschrieben.
Muss das Impressum dann auf Deutsch, oder auf Englisch verfasst werden? Derzeit sieht es etwas komisch aus, denn das Impressum ist auf Deutsch (generiert mit dem „e-recht24“-Generator), was allerdings eventuellen interationalen Kontakten nichts bringt.
Lg,
Simon
nykon
1. Juni 2014 at 13:35Hallo zusammen,
ich höre gerade die ganzen Folgen seit Anfang des Jahres nach. Ich hab mich zum Thema Dislaimer auch nach der Folge noch einmal explizit auseinander gesetzt und meine Frage ist:
‚Persönliche Seiten‘ sind explizit von der Impressumspflicht ausgenommen, darunter zählen zb passwortgeschützte Seiten für Familie/Freunde. Ebenso habe ich gelesen, dass es genügt, in der robots.txt Webcrawler zu untersagen (und somit einer Indexierung von Google&Co. widerspricht was wohl als ’nicht Öffentlichmachung‘ gilt).
Was halten Sie davon?
Vielen Dank!
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Impressumspflicht#Keine_Impressumspflicht Zweiter Absatz
O.N.
18. Juni 2017 at 23:40@27:30
Aber … wenn ich beim Bäcker jetzt n *Weckle* kauf, is das dann auch n Vertrag? :o)
Robert Meyen
2. April 2024 at 7:50Aber sicher ist das ein Vertrag…
Wolfgang
30. August 2019 at 8:05Obwohl von 2014 und vor DSGVO immer noch super podcast, weil mal aus der Internet-Praxis viele Fälle beleuchtet werden. Bzgl. Vertraulichkeit von Email haben wir diese Informationen zusammengefasst: https://www.rulebook.de/academy/vertraulichkeit-email/
Vielleicht hilft es dem ein oder anderen oder vielleicht kann man Info in weiteren podcasts verwerten.