Diese Folge der Rechtsbelehrung weicht ein bisschen von den bisherigen Folgen ab. Anders als bisher sind wir nicht streng juristisch, sondern auch ein bisschen politisch und philosophisch.
Was aber nicht heißt, dass wir uns nicht mit der rechtlichen Zulässigkeit von Fake News und Social Bots widmen. Die Bereiche des Rechts, in denen diese kulturell-politischen Phänomene relevant werden, sind jedoch alles andere als klar und handfest. Zwar ist das Lügen in vielen Gesetzen verboten, aber auf politischer Bühne scheint es ganz anders zu sein.
Nicht minder kontrovers wird die Zulässigkeit von Social Bots diskutiert. Sie sind zwar für sich nicht schädlich, können jedoch zumindest theoretisch politische Stimmungen beeinträchtigen. Aber ist das schon eine unzulässige Beeinflussung der freien Wahlen und der Chancengleichheit der Parteien (gem. Art. 20 Abs. 2, 21 Abs. 1 S. 1, 38 GG) oder lediglich eine Begleiterscheinung der Technik, die wir hinnehmen müssen?
Auch wir wurden uns nicht ganz einig, was den Umgang mit Fake News entspricht. Es gibt dazu keine eindeutig richtigen oder falschen Meinungen. Vielmehr einen hohen Bedarf nach Diskussion, Integrität der politischen Akteure, der Journalisten und Vorsicht vor Aktionismus und Schnellschüssen. Denn der Grat zwischen dem Schutz der Bürger vor Fake News und dem Aufbau einer Zensurinfrastruktur ist sehr schmal.
Angesichts des Themas freuen wir uns sehr über die Kommentare unserer Zuhörer. Sollte die Politik aktiv werden und z.B. soziale Plattformen wie Facebook mehr in die Pflicht nehmen? Oder den Bürgern mehr Klarsicht und Aufmerksamkeit zumuten? Wir sind gespannt und freuen uns auf Ihre Ansichten.
- 00:00:00 – Hausmeisterei, Rückblick auf die Rechtsbelehrung (Folge 42) beim Chaos Communication Congress #33c3, Rekapitulation Folge 41 zum Abmahnbeantworter, unsere Homestory im Sendegarten Nr. 15 „Advocatopflanzen“ und die Rechtsbelehrung in der Dissertation „Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum – Download Onlineversion„.
- 00:10:00 – Was sind Fake News und auf welcher Grundlage kann man die Wahrheit für sich reklamieren, ohne sich an Fakten zu halten?
- 00:19:00 – Juristische Lügenkonzepte (Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung, Formalbeleidigung, Meineid).
- 00:24:00 – Schutz von Unternehmen(spersönlichkeitsrechten), Kollektivbeleidigungen (Fall ACAB), Schutz religiöser Bekenntnisse, Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen.
- 00:36:00 – Schutz von Parteien gegenüber Fake News und was zählt die Wahrheit im politischen Betrieb.
- 00:45:00 – Social Bots, deren Verhältnis zu Fake News und deren Gefährlichkeit für die Demokratie, Kennzeichnungspflichten und das Gesetzesvorhaben gegen digitalen Hausfriedensbruch.
- 01:04:00 – Wie kann man die Ausbreitung von Fake News stoppen, welche Rolle spielen dabei soziale Netzwerke und könnte eine Gegendarstellungspflicht helfen?
- 01:16:00 – Welche Maßnahmen kommen sonst in Frage, um Fake News einzudämmen.
- 01:20:00 – Was hat das Ganze mit der Postmoderne zu tun?
Musikzitat am Ende: „Hey, Pippi Langstrumpf“ (Quellenangabe lt. Wikiepdia: Originaltext: Astrid Lindgren; dt. Übersetzung: Wolfgang Franke und Helmut Harun; Musik: Jan Johansson und Deutschen Konrad Elfers; Gesang: Rosy Teen)
Erwähnte Folgen
- Hatespeech – Rechtsbelehrung Folge 35 (Jura-Podcast)
- Abmahnbeantworter – Rechtsbelehrung Folge 41
- Haftung für autonome Systeme, KIs und Bots – Rechtsbelehrung Folge 42
Weiterführende Links
- Bitkom mahnt im Umgang mit Fake News zu Besonnenheit von Kristina Beer bei heise online
- Medienwissenschaftler über Fake News „Regierung ist nicht die Instanz“ Interview mit Karl-Heinz Ladeur in der Taz
- Sinnloses Anti-Fake-News-Gesetz: In Österreich gab es das schon und wurde wieder abgeschafft bei Meedia
- Was tun gegen „Fake-News“? Die Realität ist nicht konsenspflichtig von Jürgen Kaube bei der FAZ
- Social Bots & Recht – Was ist bei dem Einsatz von Bots zu beachten? von RA Karsten Gulden
- Fake News & Recht – Pro und Contra einer gesetzlichen Regulierung von RA Dr. Carsten Ulbricht
- Fake-News & Recht – Rechtliche Möglichkeiten gegen Autoren, Verbreiter und Betreiber Sozialer Netzwerke von RA Dr. Carsten Ulbricht
- Die falsche Story von Kai Schlieter bei der Taz
- Nein zu staatlich moderierten Meinungen von Sabine Beppler-Spahl bei „Novo – Argumente gegen den Fortschritt“
- Moral panic over fake news hides the real enemy – the digital giants von Evgeny Morozov im Guardian
- Sammlung mit aktuellen Forschungsergebnissen zum Thema Fake News der Harvard Kennedy School.
- Correctiv-Chef David Schraven: „Wir sind kein Dienstleister. Wir arbeiten nicht für, sondern auf Facebook“ von Stefan Winterbauer bei Meedia
- Digitaler Hausfriedensbruch: Hessen will neuen Straftatbestand gegen bereits illegale Botnetze einführen von Anna Biselli bei Netzpolitik.org
- Grüne fordern Transparenzpflicht für Meinungsroboter bei Spiegel Online
- Furcht vor den neuen Wahlkampfmaschinen von Patrick Beuth bei Zeit Online
- Social Bots – Thesenpapier zum öffentlichen Fachgespräch am 26. Januar 2017 im Deutschen Bundestag
- Many Americans Believe Fake News Is Sowing Confusion von Michael Barthel, Amy Mitchell und Jesse Holcomb bei Pew Research Center
- International Fact-Checking Network fact-checkers’ code of principles
- Alles nur Lüge – Wie im Netz getäuscht wird – Socialbots Fakenews – ZDF Zoom
- Wie erkennt man Fake News? von Daniel Bröckerhoff bei ZDF+
- So erkennen Sie Meinungsroboter von Teresa Sickert
- US-Wahlen: Forscher ziehen Einfluss von „Fake News“ in Zweifel von Martin Holland bei heise online
- Alles ist jetzt Fake News von Markus Reuter bei Netzpolitik.org
- It’s time to retire the tainted term ‘fake news’ von Margaret Sullivan bei The Washington Post
- Regulierungsdauerfeuer gegen Fake News und Social Bots ohne empirische Grundlage von Markus Reuter bei Netzpolitik.org
- Fake-News, Bots und Sockenpuppen – eine Begriffsklärung von Markus Reuter bei Netzpolitik.org
- Botswatch.de mit Beispielen für den Einsatz von Social Bots im politischen Meinungskampf
- Social Bots: Wegbereiter der Maschinokratie von Lucas Gasser, Matthias Kraatz im Verfassungsblog
- „Bot-Armeen“ als Meinungsmacher im Wahlkampf von Jens Milker bei Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht e.V.
- Hausfriedensbruch 4.0: Zutritt für Fake News und Bots strengstens verboten von Markus Reuter bei Netzpolitik.org
- Stellungnahme von Facebook zu Social Bots bei Facebook Politik und Gesellschaft
- „Fake News kann Propaganda sein, Facebook kann Lügen sein“ – die Social-Bots-Debatte bei CDU/CSU von Marcus Beckedahl bei Netzpolitik.org
- Important Distinction – Cartoon über den Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus von Saturday Morning Breakfast Cereal by Zach Weinersmith
Ludwig
3. Februar 2017 at 13:56Moin!
IMHO sind Art. 20 Abs. 2 und 21 Abs. 1 GG kein Argument regulierend auf Plattformen einzugreifen, sondern liefern Grund, dieses zu unterlassen.
Während Art. 20 Abs. 2 GG feststellt, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht und damit den Souverän beschreibt, stellt Art. 21 Abs. 1 GG fest, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes MITwirken. Entscheidend ist hier m.E., dass beide Normen eine eigenständige Willenspositionierung des Volkes voraussetzen, auf die die Parteien Einfluss nehmen können aber gerade keinen exklusiven Einfluss haben. Heißt: Beide Normen setzen die freie Willensbildung (und damit vorhergehend wohl auch Meinungsbildung) des Volkes voraus und Art. 21 GG stellt klar, dass die Parteien berechtigt sind und die Aufgabe haben, dabei mitzuwirken, nicht aber dass die Parteien diesen Prozess dominieren und die Willensbildung des Volkes bestimmen dürften. Es ist eben (nur) von einer Mitwirkung die Rede.
Plattformen bieten – zumal wenn sie unreglementiert sind und auf die Inhalte keinen Einfluss nehmen – den Raum zur Kommunikation des Volkes mit sich selbst. Sie sind daher m.E. geradezu – ausdrücklich auch mit der Möglichkeit der Fakenewsverbreitung – ein nahezu ideales Hilfsmittel zur Volkswillensbildung im Sinne des GG.
Weitergehend gehen mir in dieser und anderen Diskussionen zwei Faktoren zur Einordnung zu sehr unter:
1. Die zeitliche Ubiquität von FakeNews, zumindest soweit man sie als interessensgeleitete Verbreitung „objektiv“ falscher oder missverständlicher Nachrichten zur Beeinflussung von Meinungs- und Willensbildung versteht.
In jeder geschichtlichen Phase gab es in den verschiedensten Medien entsprechende Kommunikationen, sei es über Flugblätter, Bücher, Reden oder den Volksempfänger (Radio). Eine Zuspitzung erfährt dieses in meiner Wahrnehmung in der Darstellung der tatsächlichen und vorgegeben geplanten politischen Arbeit von Parteien. (Relativ aktuelle Beispiele: die (Selbst-)Darstellungen zur „Abschaffung“ der Störerhaftung für WLAN-Anbieter oder die Abschaffung von Roaminggebühren in der EU)
FakeNews sind mithin mitsamt ihren Beeinflussungsrisiken keine neue Erscheinung moderner Kommunikationsplattformen.
2. Das FakeNews verbreitet und gelesen werden, heißt nicht zugleich, dass diesen auch gefolgt würde. Auch Satire lebt vom Fake und wird – ohne dass diese unmittelbar zu der deutlich dargestellten Meinung führt – konsumiert. Sei es zur Unterhaltung oder zur kritischen Reflexion vermeintlich sicherer Annahmen. FakeNews können also neben einer Verzerrung auch als Entspannung und als Meinungskorrektiv dienen. Diese Funktionen würden durch eine (zu enge) Reglementierung gefährdet.
Insgesamt aber: Danke für Eure Arbeit!
Volker
4. Februar 2017 at 17:49Mal wieder eine sehr interessante Folge zu einem aktuellen Thema!
Die Frage ist doch, wo fangen „Fake News“ an? In den Nachrichten werden z.B. oft Bilder gezeigt, die nachweislich schon früher gezeigt wurden und nicht zur aktuellen Meldung gehören. Was kann ich noch glauben und was nicht? Nicht nur auf Facebook und Twitter, sondern auch in der öffentlichen Berichterstattung im Fernsehen.
Diese Folge zeigt sehr gut auf, dass man Fake News kaum juristisch verfolgen kann.
Aber Facebook & Co. sollten schon juristisch gezwungen werden, nachgewiesene Fake News zu löschen. Wer soviel Geld mit diesen Plattformen verdient, hat auch eine entsprechende Verantwortung gegenüber den Usern. Aber da müssten viele Länder an einem Strang ziehen, dann würde sich auch was ändern.
Beste Grüße von einem treuen Hörer!
Johannes
5. März 2017 at 11:24Ihr diskutiert die Frage, ob man Lügen oder offensichtliche Unwahrheiten „von Rechts wegen“ verfolgen soll. Diese Frage stellte sich so erst mit den digitalen Medien, oder vielleicht auch schon seit der Verfügbarkeit von Massenmedien.
Früher wurden offensichtlich gewordene Lügen durch öffentliches Auslachen bestraft. Wer offenbaren Unsinn erzählte, verlor seine Reputation, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr. Das war sicher der bessere Umgang mit dem dummen Zeug, was uns jeden Tag erzählt wird, als der Gang zum Gericht.
Ich würde gerne dieses öffentliche Auslachen aus der analogen Welt herüberretten. Meiner Meinung nach dürften Politiker und Parteien, die ernstgenommen werden wollen und sich der „Wahrheit“ verpflichtet fühlen, die anderen mehr mit deren Falschbehauptungen vorführen. Gibt es eigentlich ein Hashtag #TrumpFacts oder #AfDFakten? Oder auch so: „Herr de Maziére, können wir uns auf diese Zahlen verlassen oder sind das wieder „AfD-Style“-Behauptungen?“