Die Datenschutzbehörden bejubelten die Entscheidung des EuGH (1.10.2019 – C-673/17 “planet49”), dass Marketing-Cookies nur noch mit einer informierten Einwilligung der Nutzer eingesetzt werden müssen.
Unser Gast Dr. Malte Engeler sieht jedoch keinen Grund zum Feiern. Nach seiner Ansicht funktioniert eine Einwilligung in der schnelllebigen Onlinewelt nicht mehr. Keiner liest die vielen Cookie-Opt-In-Banner und erst Recht nicht die geforderten Detailinformationen.
Stattdessen klicken die Nutzer die Banner so schnell es geht weg. Das führt nur zu zwei möglichen Ergebnissen. Entweder werden sich Marketingunternehmen noch mehr Rechte zur Verarbeitung der Daten der Nutzer als bisher einholen.
Alternativ werden die Banner so gestaltet werden müssen, dass der schnellste Klick die Cookies ablehnt. Das käme wiederum einem Verbot des Austauschs von Daten gegen kostenlose Inhalte gleich. Unabhängig von dem Ergebnis, wird in jedem Fall wird die Dichte der Cookie-Banner nicht abnehmen.
Aus diesen Gründen schlägt Dr. Engeler vor, den Einsatz von Cookies zu Onlinemarketingzwecken in einem gewissen Grad per Gesetz zu erlauben. Gleichzeitig werden darüber hinausgehende Einwilligungen verboten. Dadurch wären Cookie-Banner nicht notwendig sowie die Interessen der Onlinemarketer und der Nutzer in Einklang gebracht.
Dieses Konzept bleibt jedoch nicht ohne Kritik, die auch seitens der Gastgeber von zwei unterschiedlichen Seiten vorgebracht wird. Während Herr Richter generell Bedenken gegen die Bildung von Nutzerprofilen zu Werbezwecken äußert, möchte Dr. Schwenke nicht auf die Einwilligung verzichten. Seines Erachtens schützt diese nicht nur die Privatsphäre der Nutzer, sondern auch die Daten als Vermögenswerte. Auf die Einwilligung zu verzichten, käme seiner Ansicht nach einem Eingriff in die Vermögenswerte der Nutzer gleich.
Wir sind gespannt, wessen Ansicht Sie mehr überzeugt. In jedem Fall danken wir unserem Gast für die sehr spannende Diskussion und wünschen Ihnen viel Spaß beim Zuhören!
Shownotes
- 00:03:45 – Was ist eine Einwilligung?
- 09:30:00 – Wann ist eine Einwilligung wirksam?
- 15:45:00 – Wird per Cookie-Banner eine wirksame Einwilligung erteilt?
- 20:30:00 – Was hat der EuGH zu Cookie-Bannern entschieden und welche Cookies sind von der Einwilligungspflicht ausgenommen?
- 32:20:00 – Hat der EuGH dem Datenschutz mit dem Urteil einen Gefallen getan? Oder dient die Einwilligung etwa gar nicht den Nutzern?
- 41:55:00 – Sind technische Verfahren, wie „Do Not Track“ oder Einwilligungsmanager eine zukunftsfähige Lösung?
- 46:00:00 – Führt das Angebot von Cookie-freien Onlineangeboten gegen Entgelt zu einem Datenschutz für Vermögende?
- 00:48:30 – Wäre eine gesetzliche Erlaubnis für den Einsatz von Cookies im Onlinemarketing eine für alle gerechte Lösung.
- 00:55:00 – Schützt der Datenschutz mehr, als nur die Selbstbestimmung der Bürger?
- 01:17:00 – Wäre eine „Cookie-Steuer“ ein fairer Ausgleich für ein gesetzlich zulässiges Tracking?
- 01:20:00 – Ist ein anonymes oder pseudonymes Tracking überhaupt möglich?
- 01:28:30 – Wird die e-Privacy VO Änderungen mit sich bringen?
- 01:33:36 – Hausmeisterei und Gewinnspielverlosung
Eric
30. Oktober 2019 at 19:28Bravo!
Bitte mehr derartig kontroversen Sendungen. Das bildet auch das Wesen der Rechtswissenschaften, als ständiger Meinungsstreit mit der Notwendigkeit einer Wertungsentscheid, gut ab. Wirklich erhellend und mitreißend. Dankeschön.
Christoph Henninger
30. Oktober 2019 at 19:31Entschuldigung, aber Malte tut gerade so, als ob es ohne Personalisierung keine lohnende Werbung mehr geben würde. Das halte ich offen gesagt für eine komische Einstellung. Wie hat man denn früher geworben? Oder glaubt er die Leute würden dann woanders werben? Halte ich auch nicht gerade für praktikabel.
MeraX
1. November 2019 at 18:33Erinnert sich noch jemand, an dieses analog Fernsehen? Da kamen auch Werbespots. Und die konnten aufwändige Fernsehproduktionen finanzieren. Ganz ohne Cookies, Personalisierung und Überwachung. Ich denke, dass man den Onlinewerbemark in krasse, Persönlichkeitsrechte stärkende Schranken zurückweist und womöglich am Ende auch noch die Werbeflächen und -möglichkeiten wieder reduziert, wird der Wert der Einzelwerbung steigen. Man spart sich einen Zirkus von Zwischenhändlern und Trackingbuden und am Ende wird ehh das gleiche Werbeetat ausgeschüttet. Und die Unternehmen, die wegen wegfallender personalisierter Werbung weniger Gewinn einfahren nützen der Allgemeinheit und dem Umweltschutz, weil offensichtlich überflüssige Produkte nicht produziert werden müssen.
MeraX
1. November 2019 at 18:36PS: Vielen Dank für diese erhellende, wenn auch sehr Diskussionsreiche Sendung! Ich glaube ich muss sie mir noch ein zweites Mal anhören, denn die Inhaltsdichte ist durchaus groß. Ich vermute eine sachlich eindeutige Auslegung dieses Rechts im Neuland ist zur Zeit leider einfach nicht möglich.
Joram
5. November 2019 at 12:25Mein Problem mit der Cookie-Warnung ist noch weitergehend als nur rein juristisch: Wir trainieren gerade Menschen dazu, immer schneller zu allem „Ja und Danke“ zu sagen. Dabei wird dann das „informierte Einverständnis“ zu einer Vielzahl von Datensammelpraktiken gegeben, die man vermutlich eigentlich nicht möchte. Aber da ich selbst täglich dutzende Male von den Cookiebannern daran gehindert werde, die Information zu finden, die ich suche, habe ich aufgehört wie Markus tatsächlich zu lesen und alles was geht abzuwählen.
Das Online-training wirkt sich sicherlich auch auf andere Software aus, sodass wir Menschen dazu trainieren, jeglichen Sicherheitsdialog einfach wegzudrücken. Geht ja sicherlich wieder nur um Cookies, Datenschutz oder sonst eine Nebensächlichkeit, die zwischen mir und der Arbeit steht.
Wenn die Gesetzgebung tatsächlich Nutzer*innen schützen wollte, hätte sie einfach alles Tracking oberhalb eines Minimums verboten. Dann wäre das Netz benutzbarer, es würde netto tatsächlich mehr für den Datenschutz getan und wer immer noch Sorge um seine Daten hat, nutzt Browser-Plugins, Tor-Browser oder blockt einfach alle Cookies.
Es ist wie beim Autofahren: Minium-Sicherheitsstandards wie der Gurt sind vorgeschrieben, wer aber zusätzlich noch einen Überrollbügel einbauen will, kann das gerne machen und noch ein bisschen sicherer fahren. Stattdessen hat die EU quasi den Gurt optional gemacht, sodass Leute, die sich die Zeit nehmen, immer andere Gurtsysteme zu durchschauen, sicher fahren. Alle anderen drücken auf „losfahren, jetzt, mir egal“ und fahren eben ohne Schutz.
Als Nutzer macht mich die Cookie-Regelung wahnsinnig. Ich glaube nicht daran, dass ich tatsächlich weniger getrackt werde, ihr habt alternatives Tracking ja auch schon angesprochen. Zusätzlich bewegen sich Google, Amazon und Co immer exakt im Bereich des Erlaubten und vielleicht etwas darüber hinaus, sodass nur enge, harte Grenzen tatsächlich einen Zugewinn an Datenschutz bedeuten. Alle optionalen, freiwilligen und hundertfach in Folge abgefragten Regelungen ermüden nur die Nutzer*innen, aber nicht Google. Die tracken einfach weiter.
Peter
11. November 2019 at 20:18Hallo Herr Richter,
hallo Dr. Schwenke,
hallo Malte,
ganz große Gratulation zu Eurer Sendung. Ihr habt grandios diskutiert. Mit Maltes Argumentation kann ich mich besonders identifizieren und das Schlußwort war prima!
VG, Peter
Robert
25. November 2019 at 8:11Danke, wichtiges Thema, leider meiner Meinung nach etwas unstrukturiert. Bevor die Frage der Einwilligung (braucht man eine, wofür und wie und wie kann man sie vermeiden, was macht Online-Marketing, wird das was kommen von den Datensammlern wie Google, Facebook und Co.) auf den aktuellen Stand gebracht wurde, kamen schon philosophische und rechtspolitische Ausführungen. Die sind auch wertvoll, aber es war dann doch sehr durcheinander. Dazu müsste die Richtlinie mit Einwilligung vermutlich direkt gelten, wenn das TMG diese mit § 15 Abs. 3 TMG nicht ausreichend umgesetzt hat – seit dem EuGH vielleicht sogar ziemlich eindeutig. Oder?
EMG
30. November 2019 at 8:24Jurisprudenz ist keine Naturwissenschaft und auch nicht durch stringente Modellierung, wie beispielsweise die Betriebswirtschaft, darstellbar.
Ohne den Hintergrund ist ein Verständnis, mithin eine Erörterung, nicht möglich. Wer es, salopp gesagt, vereinfacht, praxisnah und oberflächlich möchte, der findet doch wahrlich genug Merkblätter und Kurzaufsätze zum Thema im Web.
Zur Realität eines jungen Rechtsgebietes und einer noch jüngeren, ganz grundlegend neuen, Gesetzgebung gehört außerdem, dass auch grundlegende Auswirkungen noch nicht gefestigt sind, solange sich dazu noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gefestigt hat. Da geht es nicht ohne Bewertung durch Juristen, die im Rahmen der vertretbaren Subsumtion sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Eine andere Struktur der Folge konnte es daher schwerlich geben, meine ich, die Struktur der Sendung folgte hier den tatsächlichen Gegebenheiten. Diese bleiben vorerst komplex und nicht ganz eindeutig, mit viel Interpretationsspielraum, insbesondere in Grenzfällen. Wenn man das aus dieser Sendung mitgenommen hat ist das viel wert. Es gilt weiterhin große Achtsamkeit dafür aufbringen zu müssen.
Ursula Walther
3. Juli 2020 at 18:49Genialer Podcast! Ich bin erst in der Quarantäne darauf gekommen, dass es Podcasts gibt. Viele sind langweilig bis albern, eure Rechtsbelehrung ist ein Juwel. Ich bin juristisch völlig unbeleckt, und mir helfen Markus Richters Fragen sehr zum Verständnis.
Übrigens klicke ich alle Cookies weg, die wegzuklicken gehen, und wenn ich in den Datenschutzerklärungen, die ich meistens les, den Weg zum Wegklicken nicht finde, gehe ich nicht auf die Website. Meistens jedenfalls.