Zur Hörerumfrage: https://rechtsbelehrung.com/umfrage.
Das heutige Thema ist an sich nicht neu. Es geht um einen weiteren Akt in den so genannten „Crypto Wars“, d. h. den Versuchen von staatlichen Stellen, Zugriff auf Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation der Nutzer zu erhalten.
Warum der aktuell in einer Resolution europäischer Regierungsvertreter geforderte Generalschlüssel, u. a. für Messenger, wie WhatsApp, Threema oder Signal auch bei diesem Versuch ein hohes Missbrauchspotential, aber einen geringe Nutzen in sich birgt, erläutert uns unser Gast Dr. Malte Engeler. Ebenso erklärt er, warum nach seiner Ansicht es ohnehin um die grundsätzliche Frage geht, ob Menschen in einer digitalen Welt noch ein Recht auf ein Geheimnis haben sollen.
Lesetipp: Die Zusammenfassung dieser Podcastfolge erhalten Sie im Artikel von Dr. Engeler: „Crypto Wars: Täglich grüßt das Murmeltier„.
Viel Vergnügen beim Zuhören!
Kapitelmarken
- 00:00:00 – Vorstellung des Themas und der aktuellen Resolution des Ministerrates.
- 00:04:00 – Was ist die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und wie wollen die Regierungen sie einschränken?
- 00:08:30 – Besteht bereits eine Pflicht zur Herausgabe verschlüsselter Daten oder deren Entschlüsselung?
- 00:11:20 – Stehen die Zusicherungen in den AGB der Anbieter der Herausgabe der Daten entgegen?
- 00:14:00 – Welche Behörden würden durch eine Gesetzesänderung zum Zugriff auf verschlüsselte Inhalte?
- 00:17:00 – Die Methode des steten Tropfens.
- 00:20:00 – Entsprechen die Forderungen der Regierungen nicht schlicht dem vordigitalem Stand der Dinge?
- 00:22:00 – Können nicht die organisatorischen Maßnahmen für die nötige Sicherheit sorgen?
- 00:26:30 – Gibt es ein Grundrecht auf Verschlüsselung?
- 00:32:00 – Wenn, dann müsste die Verschlüsselung verboten werden.
- 00:39:00 – Sind wir nicht alle ein bisschen zu dystopisch?
- 00:45:00 – Gibt es Alternativen zur Aufhebung der Verschlüsselung?
- 00:52:30 – Was kann ich gegen die Einschränkung der Verschlüsselungstechnologien unternehmen?
Weiterführende Quellen
- Malte Engeler, DeathMetalMods: Crypto Wars: Täglich grüßt das Murmeltier.
- ORF.at: Auf den Terroranschlag folgt EU-Verschlüsselungsverbot.
- Gegen staatliche Hintertüren: Bundesverband IT-Sicherheit eV (TeleTrusT) kritisiert geplante EU-weite Aushebelung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
- CCC | Nächste Schlacht in den CryptoWars: EU-Ministerrat plant Anschlag auf Verschlüsselung.
- Gesellschaft für Informatik e.V. (GI): Die fortlaufende Debatte um Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
- Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V.: Aushebelung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung trifft die Falschen und leistet der IT-Sicherheit einen Bärendienst
- Heise: Crypto Wars: Massive Proteste gegen EU-Angriff auf Verschlüsselung.
- Digitalcourage.de: Error: Regierungen planen Angriff auf Verschlüsselung.
- Diskussion bei LinkedIn (via Karsten U. Bartels).
- Netzpolitik: Wirtschaft und Zivilgesellschaft stellen sich gegen Pläne der EU-Staaten.
David
18. November 2020 at 11:10Ist das bessere Beispiel nicht ein Brief, den ich mit einem Freund verschlüsselt hin und her schicke? Also ich schicke nicht nur einen verschlossenen Umschlag herum (TLS), sondern wir haben uns gegenseitig eine Tabelle zugeschickt nach der wir die Buchstaben vertauschen? A=Z, B=J etc…? Und die Regierung will jetzt Zugriff auf all diese Zettel haben?
Thomas Schwenke
26. November 2020 at 11:25Ja, das ist auch ein treffender Vergleich. Wobei die Regierung dann sagen würde, dass der Verschlüsselungszettel zwischen den beiden Kommunikationspartnern zulässig bleibt und die Inhaltsverschlüsselung quasi ein zweiter (Innen)Briefumschlag ist. Mit diesem Argument lässt sich jede Aufhebung der Verschlüsselung begründen, wenn man die Benutzung von Verschlüsselungszetteln als die einzige Form des Geheimnisses zulassen möchte.
Ludwig
18. November 2020 at 23:13Zur Markus Frage nach Alternativen zur Aufweichung der Verschlüsselung:
Meines Wissens nach wird die Quellen-TKÜ mit dem Staatstrojaner als Alternative zum Brechen von Verschlüsselung begründet, siehe auch:
https://netzpolitik.org/2017/staatstrojaner-bundestag-beschliesst-diese-woche-das-krasseste-ueberwachungsgesetz-der-legislaturperiode/
„Bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung wird ebenfalls ein fremdes informationstechnisches System infiltriert, um mit einer eigens für diesen Zweck entwickelten Überwachungssoftware die Kommunikation zwischen den Beteiligten überwachen und aufzeichnen zu können. Dies geschieht aus technischen Gründen, weil die Kommunikation nach dem geltenden Recht zwar im öffentlichen Telekommunikationsnetz ausgeleitet werden könnte, den Ermittlungsbehörden dann aber nur in verschlüsselter Form vorliegen würde. Die Entschlüsselung ist entweder extrem zeitaufwändig oder sogar gänzlich ausgeschlossen.“
Josef
19. November 2020 at 12:26Danke an euch drei, dass war wohl genau die Form von Themen-Aufbereitung, dich ich nochmal gebraucht habe.
Das was Marcus mit der Zahl meinte, war aber wohl der Key bei den DVD-Verschlüsselungen: https://netzpolitik.org/2007/die-verbotene-zahl/
Bei PGP war es eher ein Buch: „Um die Exportverbote zu umgehen, die nur für Technologien und Software auf Datenträgern galten, druckten das MIT und Zimmermann kurzerhand den gesamten Quellcode von PGP als Buchreihe. Diese exportierten sie legal und scannten ihn im Ausland wieder ein.“ https://www.heise.de/tp/features/PGP-die-ersten-zehn-Jahre-3447927.html (Abschnitt „Aufmerksamkeit durch Konflikte“).
Marcel
30. November 2020 at 8:51Prinzipiell schätze ich ja die Rechtsbelehrung, aber die Folge war total daneben. Und da rede ich nicht nicht einmal von den historischen Details, wo so getan wird als hätte es früher keine „analoge“ Verschlüsselung gegeben. Natürlich wurden auch Briefe verschlüsselt um Botschaften auszutauschen und es war ziemlich schwer sie zu knacken. Und es gab natürlich auch noch andere Wege als die Post um diese Briefe zuzustellen und entsprechend schwieriger war es Nachrichten abzufangen.
Man hatte das Gefühl als würde das ganze Thema eher ins lächerliche gezogen (was manchmal auch der Fall war, siehe Müllabfuhr). Was mich nämlich wirklich geärgert hat ist diese Ignoranz der politischen Dimension des Themas Verschlüsselung außerhalb von Deutschland gegenüber. Wie gerne würde Orban in Ungarn die Opposition belauschen um sich weiter an der Macht zu halten (gleiches gilt für Polen). Und glaubt wirklich irgendwer, dass er nicht unter einem Vorwand einen Richter dazu bekommen würde, dass da alles abgehört werden darf und er sich das zu Nutze machen kann? Wenn es um ein europäisches Thema geht, kann man doch nicht einfach in der deutschen Blase bleiben und alles rundherum ignorieren.
Und dann gibt es auch noch das Thema Wirtschaftsspionage, wo Verschlüsselung auch nicht unwichtig ist. Vielleicht ist es besser, wenn ihr solche brisanten Themen in Zukunft lieber politischen und/oder historischen Podcast überlasst. Denn manche/r Hörer/in eures Podcasts könnt nun wirklich glauben, dass das eigentlich ein eher lustig lockeres Thema ist und nicht für Millionen Menschen in der EU eine massive Brisanz hat, wenn das wirklich aufgeweicht wird …
Jens Bülte
15. Dezember 2020 at 19:22Liebes Rechtsbelehrungsteam,
vielen Dank für diese Folge.
Ich sehe sehr interessante Parallelen zur Geldwäschebekämpfung. Dort werden auch unter dem Mantel der Terrorismusbekämpfung und des Kampfs gegen die Organisierte Kriminalität gesetzliche Maßnahmen installiert, von denen alle Beteiligten wissen, dass sie unverhältnismäßig sind, sich vor allem gegen Kleinkriminelle richten und die Justiz stark belasten oder überfordern. Man hofft wahrscheinlich die extremsten Folgen mit einer maßvollen Anwendung der Geldwäschestrafbarkeit durch die Justiz anzuwenden, aber niemand weiß, wie lange das gutgehen wird.
Jeder stellt sich unter Geldwäsche vor, dass irgendwelche Bänker in Nadelstreifen Guthaben in Steueroasen überweisen. Solche Fälle gibt es zweifellos. Tatsächlich ist aber auch schon das Verschenken oder Annehmen eines gefälschten Markenshirts nach deutschem Recht Geldwäsche. In Zukunft soll es sogar so sein, dass jeder leichtfertige Kontakt mit Vermögen aus einer Straftat strafbar ist.
Dieser verlinkte Artikel macht das plastisch: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/geldwaesche-regierungsentwurf-vortaten-leichtfertig-all-crimes-organisierte-kriminalitaet-terrorismus/
Diese Bagatellfälle sollen nun unter Strafe gestellt werden, um in den „schweren Fällen“ bessere Nachweismöglichkeiten zu haben. Es werden also Menschen mit Strafe bedroht, nicht weil sie eine besonders sozialschädliche Handlung begangen haben, sondern damit man anderen Menschen ihre Tat besser nachweisen kann. Diese anderen sind aber im Zweifel zu schlau, um sich erwischen zu lassen.
Da ich wissentschaftlich zum Geldwäschestrafrecht arbeite, hat mir dieser Folge wirklich weitergeholfen.
Vielen Dank für viele gute Podcastfolgen, die ich gerne gehört habe.
Besten Grüße
Jens